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Ein geschichtlicher Rückblick auf die Region

"Es ist nur ein kleines Land, das Land zwischen den drei Eckpfeilern Lemberg, Lupfen und Witthoh, aber ein Land, das man lieben muss, wenn man es kennt."

Diese Zeilen in einem Kreisbuch des Jahres 1950 verweisen auf die Schönheit und Vielfalt von Natur und Landschaft im Kreis Tuttlingen, der sicherlich zu den landschaftlich reizvollsten Gebieten Baden-Württembergs zählt. Geographisch umfasst das Kreisgebiet die südwestlichen Ausläufer der Schwäbischen Alb (Heuberg, Hegau- und Baaralb) und den östlichen Teil der Baar, eine Hochebene zwischen Alb und Schwarzwald. Der Heuberg nimmt einen Großteil des Kreisgebiets ein und präsentiert sich als weite Hochfläche, geprägt von Wacholderheiden und dem steten Wechsel von Feld und Wald.

Die Donau durchläuft die Baar gemächlich in sanften Kehren und Schleifen, bevor sie hinter Tuttlingen die Kalksteinformationen der Schwäbischen Alb durchbricht. Dort, im Donautal, ist im Laufe der Jahrhunderte eine einzigartige Berglandschaft entstanden mit engen Flusskehren und schroff abfallenden Hängen, aus denen der weiße Kalksteinfels hervortritt. Das Kreisgebiet mit seinen landschaftlichen Reizen, aber auch mit seinen meist wenig ergiebigen, oft steinigen Böden und dem rauen Klima hat die Menschen und ihre Lebensweise geprägt.

Das Kreisbuch trifft dies recht gut: "Der Fleiß ersetzt, was dem Boden an Reichtum fehlt. Sparsamkeit und Genügsamkeit waren seit jeher gute Tugenden unserer Bewohner." Die schwierigen natürlichen Gegebenheiten formten einen Menschenschlag, der sich durch Arbeitsamkeit, unternehmerische Kreativität und Flexibilität auszeichnet.



Der Blick auf eine Karte aus dem 18. Jahrhundert belegt: das Gebiet des heutigen Landkreises Tuttlingen bildete einen ausgesprochenen territorialen "Flickenteppich". Eine Vielzahl an geistlichen und weltlichen Herrschaften und Ämtern gab der Region ihr Gepräge. Teile des heutigen Kreisgebiets waren württembergisch, andere gehörten zu Vorderösterreich oder zum fürstenbergischen Territorium. Einige Dörfer waren Bestandteil geistlicher Herrschaften wie der Dompropstei Konstanz oder des Klosters Rottenmünster, andere gehörten zu kleinen Territorien des reichsritterschaftlichen Adels, beispielsweise der Freiherren von Enzberg oder der Herren von Reischach. Mehr als ein Dutzend Herren hatten vor 1800 im Kreisgebiet das Sagen. Nichtsdestotrotz lässt sich eine Keimzelle des heutigen Landkreises erkennen: nämlich das württembergische Amt Tuttlingen, das Ende des 15. Jahrhunderts die Stadt Tuttlingen und mehrere Landorte, u. a. Neuhausen, Aldingen, Rietheim, Hausen o. V., Talheim, Trossingen und Schura, umfasste. Diese Orte haben heute eines gemeinsam. Sie sind mehrheitlich evangelisch - eine Folge der Einführung der Reformation in Württemberg im 16. Jahrhundert - während die Umgebung katholisch blieb. Die große politische Flurbereinigung zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereitete dem territorialen "Flickenteppich" in unserer Gegend ein Ende. Die kleinen Territorien fielen an Württemberg.

Württembergisch wurde auch das bis dahin zu Vorderösterreich gehörende oberhohenbergische Territorium mit seinem Verwaltungszentrum Spaichingen. Die fürstenbergischen Ortschaften in der Region Geisingen – Immendingen – Möhringen fielen an Baden. Auf dem Gebiet des jetzigen Landkreises Tuttlingen entstanden die zwei Oberämter (seit 1934 Kreise) Tuttlingen und Spaichingen. Die Kreisreform des Jahres 1938 löste den Kreis Spaichingen auf. Der Großteil seiner Gemeinden wurde dem Kreis Tuttlingen zugeschlagen. Der Landkreis Tuttlingen in seinen jetzigen Grenzen ist ein Kind der Kreisreform vom Anfang der 70er Jahre. Der württembergische Kreis Tuttlingen erweiterte sein Vorfeld im Süden und Osten durch die Einverleibung zahlreicher badischer Gemeinden. Die hohenzollerische Gemeinde Bärenthal brachte gar einen kleinen schwarz-weißen preußischen Tupfer in das facettenreiche historische Bild des Kreises Tuttlingen.

"Die Hauptnahrungsquelle der Bezirkseinwohner bilden Feldbau, Viehzucht und Gewerbe, letztere sind hauptsächlich in der Oberamtstadt sehr reichlich vertreten", können wir in der Oberamtsbeschreibung von 1879 nachlesen.

Der Gewerbestandort Tuttlingen genoss einen "vorteilhaften Ruf auch im Ausland“ vor allem wegen seiner "vorzüglichen Messerwaren und Schuhmacherarbeiten". Tuttlingens Messerschmiedewerkstätten -1866 waren es alleine in der Stadt 116 Betriebe - erweiterten ihre Produktionspalette durch chirurgische Instrumente. Es entstanden jene Betriebe der Chirurgiemechanik, die Tuttlingen als "Stadt der heilenden Messer“ weltweit bekannt machten.
Seit der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete das produzierende Gewerbe, also Industrie und Handwerk, die wichtigste wirtschaftliche, Grundlage des Kreises. Ein zweiter bedeutender Gewerbezweig entstand in der Lederherstellung und - verarbeitung. 1925 erreichte die Schuhindustrie mit 40 Betrieben und 3.472 Mitarbeitern ihren höchsten Beschäftigungsstand. Einen dritten wichtigen Erwerbszweig im Kreis bildete die Harmonikaindustrie in Trossingen. Von der "Mundharfen"- Produktion profitierte nicht nur Trossingen selbst. Zahlreiche Filialen der Trossinger Firma gaben den Bewohnern des Heubergs und der Baar Arbeit und Brot. In jüngerer Zeit kamen die Herstellung von Drehteilen insbesondere auf dem Heuberg, die Elektrotechnik und der Maschinenbau als weitere bedeutsame Industriezweige hinzu. Dem sprichwörtlichen und in älteren Beschreibungen oft gelobten Gewerbefleiß der einheimischen Bevölkerung ist es zu verdanken, dass der Kreis sich zu einer wirtschaftsstarken Region entwickelt hat. Eine gesunde Mischung größerer, mittlerer und kleinerer Betriebe gibt der Wirtschaft des Landkreises ihr Profil.



Der Landkreis Tuttlingen und die Kreisreform

Der Landkreis Tuttlingen ging wesentlich gestärkt aus der Kreisreform hervor. Am 23. Juli 1971 verabschiedete der Landtag das Kreisreformgesetz. Zum 1. Januar 1973 trat die Gebietsreform in Kraft. Sie schuf statt der ehemals 63 Landkreise 35 neue. Die Stadt Trossingen, deren Bewohner über die Zugehörigkeit zum Kreis Tuttlingen oder zum Kreis Villingen-Schwenningen abstimmten, verblieb beim Landkreis Tuttlingen. Der Landkreis Tuttlingen wurde durch zahlreiche badische Gemeinden und Bärenthal, das bisher zum hohenzollerischen Kreis Sigmaringen gehörte, erweitert. Vom badischen Landkreis Donaueschingen kamen Geisingen mit Aulfingen, Gutmadingen, Kirchen-Hausen und Leipferdingen, Immendingen mit Hattingen, Hintschingen, Ippingen, Mauenheim und Zimmern sowie Emmingen hinzu. Vom bisherigen Landkreis Stockach wurden dem Landkreis Tuttlingen die Gemeinden Buchheim, Liptingen, Schwandorf und Worndorf zugeordnet. Tuttlingen „verlor“ nur eine Gemeinde, nämlich Tuningen, an den Schwarzwald-Baar-Kreis. Die Kreisreform brachte dem Landkreis Tuttlingen eine Zunahme um rund 20.000 Einwohner auf 108.000 und um 276 qkm Fläche auf 734. Die Kreisreform ließ einen geographisch und wirtschaftlich kompakten und abgerundeten Landkreis Tuttlingen entstehen. Aus alten und neuen Kreisteilen entstand eine erfolgreiche Symbiose, die Integration der neuen badischen und hohenzollerischen Gemeinden gelang recht schnell.