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Die Geschichte der IMTA

von Monika Bartha, Rektorin der Parkrealschule Kressbronn (Qelle: www.imta2006.de)



Anfänge


Zu jedem Beginn gibt es meist eine Vorgeschichte,

glückliche Konstellationen,

Zufälligkeiten im Zusammentreffen von gleichgesinnten Personen,

dem Zeitgeist u.ä.m..

 

So auch hier in Kressbronn in den Jahren vor der Gründung der Musischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee:

Zwei Personen, Lehrer, waren beseelt von musischem Tun und von der Notwendigkeit zu den leistungsorientierten intellektuellen Strömungen im Nachkriegsdeutschland in der Zeit des Wirtschaftswunders, ein notwendiges Gegengewicht zu setzen.

 

Das Bestreben war nicht ein Gegenbild zu entwickeln, sondern in dieser technisch orientierten Zeit mit den Strömungen eine Harmonie zu schaffen, die dem Menschen gut tut, weil sie das Ganze im Menschen bestimmt.

 

Die Rede ist von den Gründungsvätern, dem Oberlehrer, später Rektor Kurt Öchsle, der in besonderer Weise dem darstellenden Spiel verpflichtet war und dem ersten Schulleiter in Kressbronn Dr. Josef Mauz, der der Musik verbunden war und deshalb zusammen mit anderen die örtliche Musikschule gründete.

Beide Personen gehen eine musische Symbiose ein mit der Vision schöpferischen Feuers und der inneren Verpflichtung bei ihren Schülern in Schule und Gemeinde musisches Tun zu wecken und zu fördern.

 

Ein Schulhausbau mit einem Theatersaal (Bühne und Aula) ist in Planung – so etwas gab es bis dahin kaum. Das Regierungspräsidium Tübingen moniert 1952: “Kressbronn baue zu üppig. Man brauche keinen Theatersaal.“ Vorausschauend haben sich die beiden Männer Öchsle und Mauz sowie der Schulträger durchgesetzt. Und die Aula der Nonnenbachschule wird bis heute gut genutzt.

 

In den Jahren 1953/54/55 wurden 11 Theaterstücke eingeübt und aufgeführt, unter anderem gab es auch Aufführungen im Schwarzwald und in Innsbruck.

Zu Herrn Öchsle wurden die Junglehrer aus den Kreisen Lindau und Konstanz zur Theaterspiel-Ausbildung geschickt. Die Konstanzer Junglehrer kamen seinerzeit mit dem Schiff nach Kressbronn.

 

So wurden über die Musik und das Darstellende Spiel die Kontakte nach außen geknüpft.

 

In der Kressbronner Schule finden musische Tage ihren festen Platz und der Gedanke eine seeumgreifende musische Arbeit an den Schulen zu fördern und zu vertiefen, nahm Formen an.

 

Ganz wesentlich war aber auch der Friedensgedanke:

Man wollte über das musiche Tun die Freundschaft zwischen den Ländern festigen und ausbauen.

 

 


1. Juni 1957

Gründung der Internationalen Musischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee

 

 

 

1957  1. Juni 

Kressbronn


PROGRAMM

Musischer Auftakt – Schülerchor Kressbronn a.B.   
Leitung: Kurt Oechsle


Begrüßung durch Oberschulrat Köhrle und Bürgermeister Frick


Ansprache von Oberstudienrat Dr. Holle, Tübingen
 

Schulspiel:

„Der Riese Wellewatz“ ein Märchen, Rüpelspiel v. M. Cordes, 
8. Klasse, Volksschule Kressbronn a.B.  Kurt Oechsle Kressbronn

 Farbdias:

„Das Weingartener Kreuz“, von J.A. Feuchtmayer als Stoffgrundlage für eine Kunstbetrachtung in der Volksschule; 
Referent: Werner Knoblauch


Führung durch die Ausstellungen


Rhythmisch-musikalische Vorführungen einer Gymnastikgruppe
bayerischer Volksschüler unter Leitung von Judith Mauermaier,
Schulrat Wieser, Bez. Schulamt Lindau

 

Gemeinsames Mittagessen in den „Weinstuben z. Kapelle“

 

Querschnitt aus der Arbeit der Jugendmusikschule 
Kressbronn a.B.; Leitung: Musiklehrerin Mauz, Kressbronn,
Kurt Oechsle, Kressbronn

 Referat:

 „Die musische Erziehung in  Vorarlberg“, Prof. Dr. Leo Rinderer,
Innsbruck

 Referat:

„Bildhaftes Gestalten und Werken an Primarschulen des Kantons St. Gallen“(Lichtbilder), Zeichenlehrer D. Graf, St. Gallen

 

Gründung einer „Internationalen musischen Arbeitsgemeinschaft
Bodensee“ und Festlegung der Tagung für 1958

 

Musischer Ausklang – Schülerchor Kressbronn a.B.

 

 


Bei der 1. Tagung beteiligten sich die Kantone St. Gallen und Thurgau, die Länder Vorarlberg, Bayern, Württemberg und Baden. Es kamen ca. 300 Lehrer.

 

Prof. Rinderer vom musikwissenschaftlichen Institut stellte in seinem Referat die Bedeutung des Musischen heraus. „   Musische Erziehung wolle der inneren Verarmung und geistigen Vereinsamung abhelfen und sei somit eine wichtige Größe in einer Zeit, in der man mehr und mehr erkenne, dass der Mensch und nicht die Technik die Zukunft entscheide. Die Durchblutung der Seele sei ohne musische Betätigung kaum denkbar, die menschliche Gesellschaft aber mit „Nur-Intellektuellen“ nicht glücklich.“

 

Dr. Holle aus Tübingen fand folgende äußerst anschaulichen Worte bezogen auf das Musische: „…… Es sei das Instrument, um das ausschlaggebende Menschliche vor dem nutzbaren Münzwert und der übersteigert bewerteten reinen Pflege von Wissen und Intellekt zu retten….. Das Musische könne den psychischen Vitaminmangel ersetzen….. Das Musische löst immer wieder durch den schöpferischen Prozess die Wiederbelebung des Menschen und der Gesellschaft aus.“

 

Zum Abschluss der Tagung wurde die „Musische Arbeitsgemeinschaft Bodensee“ gegründet.

 

 


Zielsetzung und Arbeitsweise

Die musische Arbeit an den Schulen zu fördern und zu vertiefen war die erste Zielsetzung. Austausch, Begegnung sollen auch der grenznahen Verständigung Gleichgesinnter dienen.

 

Von jetzt ab sollte jährlich einmal an einem anderen Ort in einem anderen Land eine musische Tagung als freiwilliges Lehrerfortbildungsangebot stattfinden.

 

Für 1958 wurden Bregenz, für 1959 Rorschach festgelegt.

Von jedem Kanton, Schulbezirk, Schulamt wurden Vertrauensleute bestimmt, später Ländervertreter genannt, die sich verpflichteten den Berufskollegen und Kolleginnen auf der Jahrestagung weiterbildende Anregungen durch Unterrichtsbeispiele, Klassendarbietungen, Ausstellungen und Vorträge zukommen zu lassen.

 

Dies war aber die einzige Festlegung. Es wurde kein Verein, keine Vereinigung, keine Stiftung gegründet. Es gibt keine Statuten, keine Kasse, keinen Kassier, keine Beiträge. Für die IMTA austragenden Orte gibt es keine äußere Form oder vorgegebenene Struktur, keine Weisungen oder einengende Vorgaben. Die Besucher erhalten keinerlei Reisekosten oder Aufwandsentschädigungen.

 

Aber es gibt nach wie vor viel Idealismus, sich der Aufgabe der musischen Erziehung zu stellen und den Gastkollegen gute Anregungen zu geben.

 

Die Tagungen werden durch den Ort gestaltet, und der Ort mit den zuständigen staatlichen Stellen übernimmt die anfallenden Kosten.




Verlauf und Entwicklung


Zur „Musischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee“ am 25. Juni 1960 war das Programm erheblich erweitert worden. Das war auch notwendig, denn über 800 Lehrkräfte und Erzieherinnen besuchten die Tagung.

Die IMTA schien sich zu etablieren.

1961 fand die Tagung in Lindau mit ca. 800 Tagungsteilnehmern statt,

zur Tagung in Amriswil 1962 fanden sich über 1200 Besucher ein. Die Uraufführung der Kantate „Die Brücke“, die im Auftrag der Ostschweizerischen Radiogesellschaft geschaffen wurde, mit der Botschaft „Glauben und Bauen“ hinterließ einen gewaltigen Eindruck

 




Erstmals erschien zur Musischen Tagung Amriswil eine Broschüre mit dem Titel „Musische Erziehung“ mit vielfältigen Aufsätzen und Vortragstexten, die allen Teilnehmern gratis abgegeben wurde.

1500 Gäste kamen 1963 nach Friedrichshafen. Zu den musischen Beiträgen kommen erstmals sportliche Darbietungen: „Landschulen singen und spielen und turnen“, „Spiel und Sport in der Volksschule“, „Turnen am zerteilten Kasten“, „Tanz mit Seilen“ und Reifengymnastik waren geboten.

 

1964 ist wieder Vorarlberg Gastgeber.

 

Mittlerweile hat man erkannt, dass es praktisch sei, wenn man einen Präsidenten habe, der die Ländervertreter zu Vor- und Nachbesprechungen einlädt und mit ihnen gemeinsam die Länderabfolge festlegt. IMTA Präsident wird der Vorarlberger Adolf Helbock. Nach wie vor gibt es aber keine Statuten oder Vorschriften; die Zusammenkünfte der Ländervertreter dienen dem Austausch über das Musische, auch über Innovatives und der Kontaktpflege.

 

 




Dornbirn, Singen, Rorschach, Tettnang, Lindenberg und Überlingen sind die nächsten IMTA-Orte.

 

1970 folgt wieder Amriswil, ab jetzt gibt es für jede IMTA ein ausführliches Programmheft. Damit war eine neue Zäsur geschaffen, da das jeweilige Programmheft künftig ca. 6 Wochen vor der IMTA an die Ländervertreter zur Abgabe an die Schulen weitergegeben wird. Von nun an wird aus der „Musischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee“ die Internationale Musische Tagung, von jetzt ab kurz IMTA genannt.

 

Die IMTA erweitert sich in den nächsten Jahren: Liechtenstein, Biberach, Sigmaringen, Villingen-Schwenningen schließen sich an.

 



Da die IMTA sich immer größerer Beliebtheit erfreute, wurden die Programmangebote umfangreicher. Die Schulen des IMTA-Ortes holen sich Verstärkung aus den benachbarten Schulen.

 

Die IMTA-Orte sind keine Konkurrenten im negativen Sinn zueinander, aber jeder Ort hat den Anspruch eine umfassende Repräsentation des Musischen zu bieten. Reizvoll für die IMTA-Besucher ist neben den vielen Anregungen auch die spezifisch regionale Atmosphäre: Lindenberg unterscheidet sich eben von Sigmaringen, Feldkirch ist anders als Biberach, Vaduz oder Weingarten haben eigene unterschiedliche geschichtliche Wurzeln.

 

Besucher erleben einen Ort in landschaftlich und historisch reizvoller Landschaft, in heiterer musischer Atmosphäre und treffen auf positiv – neugierig – offene Fachkollegen aus den Regionen.

 

Vielleicht ist das eines der Geheimnisse der IMTA, warum sie lebt und tradiert wird.

 

Ab 1996 gibt man der IMTA ein symbolisches Motto und ein neuer Präsident wird gewählt: Hofrat Raimund Rosenberg aus Bregenz.

 

Hier eine Auswahl von Leitideen: 

 

Hier eine Auswahl von Leitideen: 

  • „ Aus allen Quellen fließen“   1996 - Donaueschingen
  • „ Identität – stärken, fördern“ - eine päd. Herausforderung     1997 - Leutkirch
  • „Lebendiger Geist in alten Mauern“  1999 - Feldirch
  • „Schulen bauen Brücken über den See“ 2000 - Pfullendorf
  • „Wege“      2003 - Vaduz
  • „Miteinander“     2004 - Ochsenhausen



 


 



Bedeutung der IMTA heute

Die IMTA ist eine große Herausforderung geworden.

Da mittlerweile über 3.000 Besucher kommen, muss ein breites Spektrum an Angeboten ausgewiesen werden. Nicht übersehen werden darf die gesamte Logistik:

 

Parkplatzausweisung, Beschilderung, Informationsstände, Verpflegung, Veranstaltungsheft, Internetauftritt………

 

Die Vorbereitungen in den Schulen laufen bereits 2-3 Jahre vorher an. Broschüren und Programmhefte sind anspruchsvoller und somit teurer geworden. Staatliche Mittel sind knapper, Förderer und Sponsoren aufgrund der wirtschaftlichen Situation zurückhaltender geworden.

 

Deshalb muss es erlaubt sein zur Durchführung der IMTA kritische Fragen zu stellen:

  • Gibt es in einer medienbeherrschten und mobilen Gesellschaft nicht     ausreichend Anregungen für Lehrer?
  • Halten Schülerdarbietungen einem durch Medien verwöhnten Anspruch  stand? 
  • Stehen der finanzielle Aufwand, die gebundene Energie und der Nutzen in angemessenem Verhältnis zueinander?
  • Ja, für wen ist die IMTA von nutzen?
  • Ist sie gar Ballast?

 

Auch die Ländervertreter stellen sich diese Fragen.

 

Dem steht gegenüber:

  •  Mittlerweile gibt es zehn Kantone, Schulämter, Bezirke und zwei weitere 
    Kantone möchten sich anschließen.
  • Das heißt, der o.g. Kraftakt verteilt sich auf viele Schultern.

 

Es gibt aber auch andere Fragen, nämlich diejenigen, die auf die musische oder musisch-ästhetische Erziehung bezogen sind:

 

Ist die musisch-ästhetische Bildung/Erziehung nicht gerade in der heutigen schrillen, schnellen und laut gewordenen Zeit bedeutsamer denn je ?

 

Was prägt den Alltag unserer Schüler?

 

Unzählige Literatur beschäftigt sich mit den „veränderten“ Lebensbedingungen der Kinder. Verkürzte Kommunikationsformen, Reizüberflutung, Termine, weniger Muße, geschweige denn musisches Tun sind kennzeichnend für einen Großteil der Kinder, aber auch für Erwachsene in der heutigen Zeit.

Die Schule hält den Leistungsgedanken aufrecht, verstärkt durch „Pisa-Druck“ und Berufsvorbereitung sicher zurecht. Aber im professionellen Wissen und Reflektieren wollen und sollen Schulen gleichzeitig dagegenhalten. Lehrkräfte wissen und erkennen die Notwendigkeit der ganzheitlichen Bildung; insbesondere die Bedeutung des musisch-ästhetischen Wahrnehmens und Handelns.

 



Was erwarten Besucher von der IMTA ?

Eine IMTA soll all dem Rechnung tragen:

 

  • Impulse geben - kleine und große,
  • vor allem umsetzbare Ideen aufzeigen,
  • „geistiges Futter“ anbieten,
  • fachlichen Austausch ermöglichen,
  • Kommunikationsort sein.

 

Eine persönliche Anmerkung sei mir gestattet:

IMTA-Orte strahlen am IMTA-Tag die Fröhlichkeit aus, die das glückliche Ergebnis von zufriedenstellender musischer Leistung sind. Und ich habe noch nie missmutige IMTA-Besucher gesehen, stattdessen froh gestimmte mit Fotoapparaten und Notizblöcken ausgestattete Personen.

 

Die IMTA am 17. Mai 2006 will mit dem Rahmenthema „Perspektiven“ all diese Gedanken aufgreifen.

 

Nach wie vor gelten die Gedanken, die Dino Larese zur 25. IMTA 1981 festgehalten hat:

„Die Geschichte der IMTA dokumentiert die Vielfalt der schöpferischen Phantasie und menschenbildende Kraft ………IMTA …….. ist ein Dokument des gegenseitigen Verstehens, der Nachbarschaft und Freundschaft über die Grenzen hinaus.“

Lehrkräfte und Schulleiter nehmen die Anforderungen, die durch die IMTA an sie gestellt werden an, denn „dieses mal sind wir gefordert, etwas zu geben, wir tun das gerne, denn viele Male haben wir als Besucher Anregungen erhalten.“

 

 

Das kleine große Wunder dieser Arbeitsgemeinschaft

ist die Form ihrer Existenz,

getragen von Personen mit Idealismus,

gewollt von Fachkollegen und Kolleginnen.

 

 

Monika Bartha

 


 

Quellenangaben:

  • Dino Larese Feste – fünfundzwanzig Jahre Musische Arbeitsgemeinschaft Bodensee, Amriswiler Bücherei, 1981
  • Chronik 40 Jahre Nonnenbachschule Kressbronn
  • IMTA-Hefte von 1970 – 2005
  • Befragung von Zeitzeugen